Karl-Ferdinand-Broll-Straße 2-4. D-35638 Leun-Biskirchen
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Begleittherapie

Einleitung

Die heutige, sehr effektive Therapie des Parkinson-Syndroms ist auf 4 Pfeilern aufgebaut. Der erste und wichtigste Pfeiler ist die medikamentöse Kombinationsbehandlung, die in den letzten 40 Jahren große Erfolge erzielt hat und ständig weiterentwickelt wird. Wo diese Therapie an ihre Grenzen stößt, stehen die invasiven Formen der medikamentösen Therapie, die Pumpenbehandlungen (Apomorphin- und Duodopa-Pumpe) zur Verfügung.

onkologische_begleittherapie

Der zweite Pfeiler ist die neurochirurgische Behandlung, genauer gesagt die Tiefe Hirnstimulation (THS), die für Patienten geeignet ist, die infolge der Krankheitsprogression mit den medikamentösen Möglichkeiten nicht oder nicht mehr zufriedenstellend therapierbar sind. 

 

Diese Therapieformen reichen aber nicht aus, um den gewünschten Therapieerfolg mit zufriedenstellender Lebensqualität der Patienten zu erzielen. Als dritter Pfeiler dient deswegen die so genannte Begleittherapie, die hauptsächlich das Ziel hat, dass die Patienten die verloren gegangenen oder eingeschränkten Fähigkeiten und automatischen Bewegungen wieder erlernen. Durch diese Lernprozesse kommen sie im Alltagsleben deutlich besser aus, was die Lebensqualität der Parkinson-Patienten erheblich steigert. Andererseits verstärken sich viele Parkinsonsymptome, am meisten der Rigor und die Akinese, wenn diese überwiegend übenden Verfahren vernachlässigt werden. Die übenden Behandlungsverfahren machen sich vor allem einen Lernprozess des Gehirns zunutze, der Patient profitiert von dem Trainingseffekt und gewinnt mit zunehmenden Erfolgen an Selbstsicherheit, Selbstvertrauen und Motivation. Diese Begleittherapie wird auch physikalische Therapie oder Physiotherapie genannt. 

 

Als vierter Pfeiler wird die Parkinson-Therapie mit der psychologischen Betreuung der Patienten und deren Angehörigen ergänzt. 

 

In den Parkinson-Spezialkliniken und -Abteilungen werden die Begleittherapien während des stationären Aufenthaltes intensiv durchgeführt. Die Weiterführung dieser Therapieformen ist aber auch zu Hause dringend angezeigt, um die Bewegungsfähigkeit und die Selbständigkeit der Patienten zu erhalten.

Motorische Therapien

Symptombezogene Krankengymnastik

Krankengymnastischer Befund - Behandlungsplan - Erfolgskontrolle

Voraussetzung der erfolgreichen Physiotherapie der Parkinson-Krankheit ist die möglichst genaue Registrierung der Ausprägung der Symptomatik und der spezifischen Funktionen aus krankengymnastischer Sicht. Aufgrund der so aufgezeichneten Anfangssituation kann das therapeutische Ziel gesteckt und ein gezielter Therapie-Plan aufgestellt werden. Mit diesen Aufzeichnungen kann der therapeutische Erfolg geprüft und der Verlauf der Krankheit verfolgt werden.

 

Diese Erfassungsbogen sind ähnlich aufgebaut wie die Unified Parkinson Disease Rating Scale (UPDRS), die von den Ärzten verwendet wird. Sie ermöglichen auch die standardisierte Forschung im Bereich der physikalischen Therapie der Krankheit.

Beeinflussung der Hypokinese

Die Krankengymnastik zur Linderung der hypokinetischen Symptome versucht einerseits, die noch vorhandenen Bewegungsmuster optimal auszunutzen, andererseits die verloren gegangenen erlernten oder automatisierten Bewegungen durch neuerlernte zu ersetzen. Weil die Lernmöglichkeiten infolge der Krankheit von Anfang an eingeschränkt sind, hat die Motivierung der Patienten für diese ergänzende Therapie sehr früh, schon bei der Diagnosestellung eine große Bedeutung. Auch die Notwendigkeit der Kontinuität dieser Übungsbehandlungen sollte dem Patienten klar sein. Leider schränken eine eventuell vorhandene Depression mit deutlichem Antriebsmangel oder eine dementielle Entwicklung die Möglichkeiten der gezielten Krankengymnastik oft ein. Um die noch vorhandenen automatischen Bewegungen zu erhalten, ist die ständige Wiederholung der Bewegungen nötig. Die Bewegungen werden häufig mit Musik bzw. mit Rhythmus ausgeführt, einzeln mit dem Therapeuten oder in der Gruppe. Kommandos, Taktgeber, Marschmusik per Lautsprecher. MP3-Player oder Walkman sind sehr hilfreich. Auch die optische Gestaltung des Übungsraumes (Streifen oder Stäbe auf dem Fußboden, Schachbrettmuster usw. fördern den Trainingseffekt). Es werden auch einfache Geräte wie Bälle, Stäbe, Tücher verwendet. Entsprechend des Schweregrades der Symptomatik werden die Übungen im Gehen, stehend oder sitzend durchgeführt, bei schwerkranken Patienten sogar im Bett. Wenn möglich, wird das Bewegungstraining in verschiedenen Körperhaltungen ausgeübt. 

 

Um die Gleichgewichtsreflexe zu unterstützen, werden auch bewegliche Untergründe (Schaukelbrett, Trampolin, Laufband, Pezziball) verwendet. In der letzten Zeit werden außerdem Trainingsgeräte eingesetzt. Es ist aber wichtig, dass die Übungen die Patienten nicht überfordern und dass die Ausprägung der Symptomatik und die Leistungsfähigkeit der Patienten immer berücksichtigt werden. Gezielte Übungen und Ausarbeitung bzw. Erlernen von verschiedenen Techniken beim Hinsetzen, Aufstehen vom Stuhl, vom Bett, Umdrehen im Bett, Lagewechsel sind ebenfalls Aufgabe der Krankengymnastik.

 


Kommandos, Taktgeber, Marschmusik per Lautsprecher. MP3-Player oder Walkman sind sehr hilfreich. Auch die optische Gestaltung des Übungsraumes (Streifen oder Stäbe auf dem Fußboden, Schachbrettmuster usw. fördern den Trainingseffekt). Es werden auch einfache Geräte wie Bälle, Stäbe, Tücher verwendet. Entsprechend des Schweregrades der Symptomatik werden die Übungen im Gehen, stehend oder sitzend durchgeführt, bei schwerkranken Patienten sogar im Bett. Wenn möglich, wird das Bewegungstraining in verschiedenen Körperhaltungen ausgeübt. Um die Gleichgewichtsreflexe zu unterstützen, werden auch bewegliche Untergründe (Schaukelbrett, Trampolin, Laufband, Pezziball) verwendet. In der letzten Zeit werden außerdem Trainingsgeräte eingesetzt. Es ist aber wichtig, dass die Übungen die Patienten nicht überfordern und dass die Ausprägung der Symptomatik und die Leistungsfähigkeit der Patienten immer berücksichtigt werden.

 

Gezielte Übungen und Ausarbeitung bzw. Erlernen von verschiedenen Techniken beim Hinsetzen, Aufstehen vom Stuhl, vom Bett, Umdrehen im Bett, Lagewechsel sind ebenfalls Aufgabe der Krankengymnastik.

Beeinflussung des Rigors

Die parkinsonbedingte Muskelsteifheit (Rigor) schränkt neben der Hypokinese die Beweglichkeit des Patienten zusätzlich ein. Mangels entsprechender Übung kann der Rigor auch zur Versteifung der Gelenke führen und so Kontrakturen verursachen. Zur Bekämpfung des Rigors sollen die Bewegungen großräumig durchgeführt werden, auch mit Schwung. Wichtig sind außerdem so genannte Dehnungs- und Lockerungsübungen. Auch alternierende oder schnell wiederholte Bewegungen mit Rhythmus wirken in diese Richtung. Anhaltende Muskeldehnung (Schlingentisch) und Dehnlagerungen werden gegen den Rigor eingesetzt.

Beeinflussung des Tremors

Leider ist das Zittern durch die Krankengymnastik nicht zu beeinflussen. Der reine Ruhetremor des Patienten ist während willkürlicher Bewegungen und in bestimmten Situationen nachlassend. Auch die Patienten entwickeln verschiedene Techniken zur Unterdrückung des Tremors. Die Patienten können während der Krankengymnastik an solche Tricks herangeführt werden.

Beeinflussung der Haltungsstörungen, Wirbelsäulengymnastik

Die vornübergebeugte Körperhaltung ist typisch für das fortgeschrittene Parkinson-Syndrom. Eine extreme Form dieser Haltungsstörung ist die Kamptokormie, bei der der Oberkörper fast 90 Grad nach vorne gebeugt ist. Die auf eine Seite geneigte Köperhaltung wird nach dem schiefen Turm von Pisa als Pisa-Syndrom bezeichnet. 

 
Die Verbesserung der Körperhaltung ist ein weiteres Aktionsfeld für die Krankengymnastik. Unter optischer Kontrolle (Ganzkörperspiegel) durchgeführte Übungen, z.B. auch an der Sprossenwand oder neben einer Wand sind geeignet, um die Körperhaltung zu verbessern. Bei extremen Körperhaltungsstörungen kommen die Stärkung der Muskulatur auf der einen und die Dehnung auf der anderen Seite in Frage. In den Übungen soll die Rückenstrecker-Muskulatur gestärkt und – wenn nötig – die Beuge-Muskulatur entspannt werden. Die Hochstellung der Rollator-Griffe oder eine Unterarmgehstütze eignen sich ebenfalls zur Korrektur dieser Haltungsstörungen. Bei dem Pisa-Syndrom kommt auf einer Körperhälfte die Stärkung der Muskulatur und die Entspannung der Muskulatur auf der Gegenseite zur Anwendung.
Gehschule – Freezing-Übungen

Ziel der Gangschulung der Patienten ist die Erhaltung der selbstständigen Gehfähigkeit. Auch mit den Gehübungen sollte man früh - beim Auftreten der ersten Gehprobleme - anfangen. Die einfachste Gehübung ist der tägliche Spaziergang, den man jedem Parkinson-Patienten empfehlen sollte. Gehübungen in der Gruppe mit Musik in einem möglichst großen Gymnastikraum, Nordic-Walking sind für Patienten mit leichten Gehstörungen gut geeignet. Wichtig ist die ständige Korrektur durch die Therapeuten. Es sollten die Schrittlänge, die Gangspur, das Mitschwingen der Arme kontrolliert werden. Für das Training des Mitschwingens der Arme sind Paar-Übungen mit 2 Gymnastikstäben sehr zweckmäßig.


Hilfreich ist auch das Einrichten eines Gehgartens (Parcours) mit verschiedener Bodenbeschaffenheit und Hindernissen sowie mit optischen Reizen. Im Gehgarten können auch Alltagssituationen, z.B. das Öffnen eines Gartentors, eingebaut werden. Während freien Gehens können weitere Bewegungsübungen, z.B. mit einem Ball oder einer Keule durchgeführt werden.


Für die Verlängerung der Schrittlänge sind optische Reize am Boden, Kommandos, Gehen auf dem Laufband geeignet. Starten, Stoppen und Richtungswechsel auf Kommando sind weitere zweckmäßige Übungen.


Wichtig ist es auch, dass der Patient beim Gehen das richtige Abrollen des Fußes erneut erlernt. Viele Parkinson-Patienten treten mit der Fußspitze auf, was zu Trippelschritten und Fallneigung nach vorne führt. Das Auftreten mit der Ferse und das Abrollen nach vorne sollten extra geübt werden. Bei schweren Gangstörungen, insbesondere bei Sturzgefährdung sind Gehübungen mit geeigneten Hilfsmitteln, z.B. Gehstock, Rollator, Unterarmgehstütze bei gleichzeitiger Hilfsmittelschulung notwendig.


Ein besonderes Problem sind beim Gehen die Starthemmungen des Patienten, die im fortgeschrittenen Zustand medikamentös nicht beeinflussbar sind. Diese so genannten Freezing-Erscheinungen führen dazu, dass der Patient – wie am Boden angeklebt – den ersten Schritt nach vorne nicht machen kann. Diese Starthemmung tritt insbesondere in Engpass-Situationen, beim Umdrehen, vor Türschwellen, vor dem Ziel oder in offenen Räumen auf und führt häufig zu schweren Stürzen, weil der Patient versucht, sich mit dem Oberkörper nach vorne zu bewegen, wobei die Füße am Boden kleben bleiben. In solchen Fällen wird dem Patienten erklärt, er möge sich vorstellen, dass vorne eine unsichtbare Wand steht. Er kann nicht durch die Wand nach vorne treten, aber er kann mit einem Seitenschritt diese umgehen. Wichtig ist, dass der Patient nach dem ersten Schritt nicht stehen bleibt, sonst tritt die Starthemmung sofort wieder auf. Man kann die Starthemmung auch mit Fremd- oder Eigenkommandos unterbrechen. Auch das Tragen eines MP3-Players oder Walkmans mit rhythmischer Musik oder eines Metronoms kann hilfreich sein, wenn die Geräte beim Auftreten der Starthemmung eingeschaltet werden. Optische Reize am Boden können für Übungszwecke geeignet sein. Weiterhin können das „Auf-der-Stelle“-Treten oder der Storchengang ausprobiert werden.

 

In den Sanitärhäusern sind Freezing-Stöcke erhältlich. In diesen Stöcken ist unten ein roter Querstab eingebaut, der auf Knopfdruck herausfährt. Der Patient soll über diesen Stab steigen und so die Starthemmung überwinden. Eine Weiterentwicklung des Freezing-Stockes sind der Laser-Stock und der Laser-Rollator. In diesen Geräten wird der Querstab durch einen Laserstrahl ersetzt. Auch ein umgedrehter Stock, ein Laserpointer oder ein auf den Boden geworfenes Papierstück, befestigt an einem Bindfaden, können die Starthemmung aufheben, wenn der Patient über diese optischen Reize steigt.

 

Auch die Angehörigen können lernen, wie die Starthemmung mit ihrer Hilfe gelöst werden kann. Ein quergestellter Fuß und die Aufforderung, der Patient möge darüber steigen ist eine häufig wirksame Lösung. Bei anderen Patienten hilft, dass der Helfer sich hinter den Patienten stellt und seine Schulter rhythmisch nach links und rechts bewegt. Ungeduld und Zeitdruck verstärken die Starthemmung. Gehen und das gleichzeitige Durchführen einer anderen motorischen Leistung führt auch zu Starthemmungen und erhöht sogar die Sturzgefahr. Diese Situationen sollte der Patient vermeiden.

Gleichgewichtstraining, Sturzprophylaxe

Die Gleichgewichtstörungen und die damit verbundenen Stürze mit hoher Verletzungsgefahr bedeuten bei der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit ein großes Problem. Neben der Krankheitsprogression besteht auch ein Zusammenhang mit der verminderten Muskelkraft. Die Sturzgefahr wird weiter erhöht, wenn auch Freezing-Erscheinungen auftreten. Auch die gleichzeitige Ausführung von zwei motorischen Tätigkeiten, plötzlich ausgeführte Bewegungen (das Telefon klingelt, Patient will zum Telefon eilen) führen häufig zu Stürzen. Infolge der Stürze entwickeln die Patienten erhebliche Ängste, die dann zu einer Verstärkung der Gleichgewichtsprobleme führen. Die Stürze erfolgen überwiegend nach vorne oder auf der Seite. Besonders gefährlich sind Stürze nach hinten ohne Kompensationsmechanismen, die bei den atypischen Parkinson-Symptomen noch häufiger sind. Bei zunehmender Mobilität infolge der erfolgreichen Medikation kann die Sturzgefahr leider noch größer werden. 

 

Die Übungen zur Erhaltung des Gleichgewichts und zur Vermeidung von Stürzen sind umso wichtiger, weil die Medikation in fortgeschrittenen Stadien der Krankheit diese Symptome nicht zufriedenstellend beeinflussen kann. 

 

Ein wichtiger Teil dieser Übungen ist das Erlernen von kompensatorischen Ausfallschritten. Bei dieser Übung wird der hinter dem Patienten stehende Therapeut den Patienten ruckartig nach hinten ziehen und auffangen, wie bei der Untersuchung der so genannten Retropulsion. Der Patient soll lernen, diese plötzliche Veränderung der Körperlage und die dadurch entstandene Fallneigung durch einen Ausfallschritt nach hinten zu kompensieren. Auch die früher beschriebenen Übungen gegen die Starthemmungen beim Gehen sind Teil des Trainingsprogramms zur Verminderung der Sturzgefahr. 

 

Es ist häufig notwendig, die Übungen mit direkter Hilfeleistung des Therapeuten als einzelgymnastisches Training durchzuführen. Die Benutzung von Abstützmöglichkeiten wie z.B. ein Gehbarren ist ebenfalls empfehlenswert. Geeignete Übungen sind z.B. der Seiltänzergang, Übungen auf weicher Unterlage (Matratze), Trampolin oder auf dem Schaukelbrett, auch ein Laufband kann für das Trainieren des Gleichgewichts eingesetzt werden.

 

Die Sturzprophylaxe beinhaltet aber auch die Aufklärung der Patienten und der Angehörigen. Der Patient soll lernen, solche Situationen zu meiden, die die Gefahr des Hinfallens in sich bergen. Zeitdruck, hektische Bewegungen, Anziehen ohne Abstützmöglichkeit, durch äußere Reize durchgeführte schnelle Bewegungen, Rückwärtsgang, schnelles Umdrehen, gleichzeitig Gehen und etwas in der Hand halten, Starthemmungen, Trippelschritte, Ablenkung durch intensives Gespräch beim Gehen sind häufige Auslöser von schweren Stürzen. 

 

Die Wohnraumgestaltung spielt in der Sturzprophylaxe eine wichtige Rolle. Türschwellen, lose Teppiche, scharfe Möbelkanten, überflüssige Türen sollten beseitigt werden. Ausreichende, auch nächtliche Beleuchtung, kurze Wege zur Toilette, Haltegriffe, Stühle mit Armlehnen können die Sturzgefahr deutlich verringern. 

 

Für die Prophylaxe der Sturzfolgen sind Helme, Knie- und Hüftpolster geeignete Hilfsmittel.

Hilfsmittel, Hilfsmitteltraining

In den Fällen, in denen der Patient wegen ausgeprägter Gangstörung und Fallneigung auf entsprechende Hilfsmittel angewiesen ist, ist es Aufgabe der Therapeuten, das für ihn geeignete Hilfsmittel auszusuchen und körpergerecht einzustellen sowie die Benutzung der Hilfe mit dem Patienten einzuüben. Diese Hilfsmittel erhöhen die Bewegungsfähigkeit der Patienten, verlängern die mögliche Gehstrecke und verringern die Sturzgefahr. Dementsprechend geben sie dem Patienten mehr Lebensqualität. 

 

Folgende Hilfsmittel können bei Gang- und Gleichgewichtsproblemen eingesetzt werden.

  • Gehstock (richtige Länge wichtig!)

  • Unterarmgehstütze

  • Gehwagen (Rollator) mit Bremse und Sit

  • Freezing-Stock (mechanisch oder Laser)

  • Freezing-Rollator

Der Umgang mit weiteren Hilfsmitteln wird im Rahmen der Ergotherapie behandelt.

Feinmotoriktraining

Die Behandlung der feinmotorischen Tätigkeiten ist größtenteils Aufgabe der Ergotherapie, trotzdem wird sie ständiger Bestandteil der krankengymnastischen Übungen. Die Grundsymptome der Krankheit (Hypokinese, Rigor und Tremor) schränken die feinmotorischen Fähigkeiten in hohem Maße ein. Die Bekämpfung dieser Symptome ermöglicht die weitere, gezielte Therapie der Feinmotorik. Die schon erwähnten Dehn- und Lockerungsübungen werden auch mit den Händen ausgeführt, ergänzt mit Geschicklichkeitsübungen und mit dem Trainieren von schnell wiederholten Finger- und Handbewegungen. Bei diesen Übungen werden auch verschiedene Hilfsmittel verwendet, z.B. Aufnehmen und Ausschütteln eines Tuches, schnelle Drehbewegungen mit einem Igelball, Übungen mit einem Seil usw. 

 

Schnelle, wiederkehrende Drehbewegungen der Hände können mit einem Metronom gesteuert werden. Auch der so genannte Tapping-Test (schnelles Schlagen mit dem Finger auf die Tischplatte), der als Untersuchung bekannt ist, kann für Übungszwecke verwendet werden. 

 

Als Geschicklichkeitsübungen werden das Rollen eines Igelballes auf dem Tisch, Übungen mit einem Tuch oder Seidenpapier, Stecken von Stiften in das Steckbrett verwendet.

Mimisches Training

Eines der auffallenden Symptome der Hypokinese ist die mimische Verarmung des Patienten, genannt Hypomimie. Die eingeschränkte oder fehlende Mimik führt dazu, dass die Umwelt den Patienten als teilnahmslos, emotional kalt empfindet. Dieses „Poker-Gesicht“ verursacht viele Missverständnisse, weil der Patient anscheinend keine emotionale Regung zeigt. Einige stufen den Patienten deshalb auch als geistig eingeschränkt ein, was der Patient selbstverständlich beleidigend empfindet. Zur Behandlung der Hypomimie werden Übungen vor dem Spiegel empfohlen, einzeln oder in der Gruppe. Es werden die einzelnen Muskeln bzw. verschiedene Ausdrucksformen trainiert. 

Die Übungen können durch taktile Reizung (Pinsel, Berührung) der einzelnen Muskeln unterstützt werden. Die Bewegungen der Augenbrauen, der Nase, der Augenlider, der Mundwinkel und der Lippen werden einzeln, in verschiedene Richtungen ausgeführt. Wichtig ist auch das Üben verschiedener emotionaler Reaktionen (Lachen, Weinen, Entzücken usw.). 

 

Diese Übungen und auch die nachstehenden Atemübungen werden im Rahmen der Sprechtherapie verwendet.

Atemübungen

Die Hypokinese der Atemmuskulatur, der Rigor des Brustkorbes und die Haltungsstörungen führen dazu, dass die Atmung der Parkinson-Patienten sehr oberflächlich ist. Die Patienten holen beim Sprechen nicht genügend Luft, was die Sprechstörungen noch deutlich verstärkt. Die mangelnde Durchlüftung der Lungen und die fehlende Kraft beim Ausatmen und Abhusten erhöhen die Gefahr von Atemwegsinfekten bzw. Lungenentzündungen.


Zur Beeinflussung der parkinson-bedingten Atemstörungen werden atmungsvertiefende Übungen verwendet, in Verbindung mit verbesserter Körper- bzw. Atemwahrnehmung. Der Patient kontrolliert durch Auflegen seiner Hände die Amplitude seiner Atembewegungen und wird angehalten, diese zu vergrößern. Die forcierte Ein- und Ausatmung kann durch Bewegungen der Arme unterstützt werden. Verschiedene mechanische Atemhilfen (z.B. Giebelrohr) können außerdem verwendet werden.

Krafttraining

Aufgrund neuerer Erkenntnisse bezüglich einer primären Kraftminderung von Parkinson-Patienten, die über die Inaktivitätsatrophie hinausgeht und sogar auch die Sturzneigung zu beeinflussen scheint, wird das Krafttraining bei Parkinson-Patienten vermehrt eingesetzt. 

Durch regelmäßiges Üben gegen einen Widerstand nimmt die Muskelkraft infolge der Muskelhypertrophie zu. Durch Krafttraining scheint die Körperfehlhaltung, die Stabilität, die allgemeine Beweglichkeit aber auch die Feinmotorik beeinflussbar zu sein. 

 

Zum Training werden die üblichen Muskel-Trainingsgeräte und Fahrradergometer verwendet. Die Leistungsfähigkeit des Patienten ist aber immer zu berücksichtigen. Eine Überlastung oder Überforderung sollen vermieden werden.

Tanztherapie

Diese Therapieform hat neben der bewegungstherapeutischen Wirkung auch eine psychotherapeutische. Die positiv stimulierende Wirkung der Musik beeinflusst die Stimmungslage und auch den Antrieb. Patienten, die beim Gehen ausgeprägte Störungen haben, können mit Musik und Rhythmus immer noch verhältnismäßig gut tanzen.

Bewegungsbad, therapeutisches Schwimmen

Die Auftriebskraft, der Widerstand und die hohe Temperatur des Wassers tragen zum Erfolg der Wassergymnastik im Bewegungsbad bei. Auch das therapeutische Schwimmen nutzt diese Eigenschaften des Wassers. Die Temperatur des möglichst geräumigen aber nicht zu tiefen Bewegungsbades für Parkinson-Patienten liegt im Allgemeinen bei 30-34 Grad. 

 

Im warmen Wasser entspannt sich die steife Muskulatur, löst sich der Rigor, die Bewegungen sind einfacher, der Körper verliert den größten Teil seines Gewichts. Sogar die Atmung kann verbessert werden. Im Wasser können auch die das Gleichgewicht erhaltenden Reflexe und die Koordination der Bewegungen trainiert werden. 

 

Bei starker Behinderung oder ausgeprägten Fluktuationen (on-off) ist das Schwimmen nur unter Aufsicht erlaubt. Eventuelle internistische und andere Erkrankungen, die als Kontraindikation dienen, müssen berücksichtigt werden (Schwimmerlaubnis).

Gruppentherapie

Eine häufig verwendete Form der Physiotherapie der Parkinson-Krankheit ist die Gruppengymnastik. Sie ist eine gute Ergänzung der Einzeltherapie, wenn der Patient körperlich und psychisch in der Lage ist, bei den Gruppenübungen mitzumachen. Sie nutzt beim Trainieren der motorischen Leistungen auch die positive emotionale Wirkung und die Interaktionen der Gruppe und der Gymnastik-Partner aus. 

 

Gut geeignet für die Gruppengymnastik ist ein möglichst großer, aber max. für 10 Patienten gedachter Raum. Bei dieser Gruppengröße ist es noch möglich, dass ein Therapeut die Gruppenmitglieder kontrollieren und bei Bedarf korrigieren kann. Der Boden des Raumes soll rutschfest aber nicht zu hart sein (Sturzgefahr!). Die Raumtemperatur soll nicht zu hoch sein, gute Belichtung ist Voraussetzung. 

 

Die Patienten werden nach Schweregrad eingeteilt, im Allgemeinen in 3 Gruppen. Die dritte Gruppe kann nur sitzende Übungen ausführen, die erste alle Übungen ohne Begrenzung. Die gleichmäßige Belastbarkeit der Gruppe ist sehr wichtig, weil ein Patient, der die Übungen nicht richtig mitmachen kann, unter Umständen die ganze Gymnastikstunde stört. 

 

Die Dauer der Gymnastikübungen darf nicht zu lang gewählt werden und soll der Belastbarkeit der Gruppe entsprechen (im Allgemeinen 45 Min.). Die Übungen werden häufig mit Musik (Marschmusik, rhythmische Musik) durchgeführt. Einfache Hilfsmittel werden verwendet: Reifen, verschiedene Bälle, Stäbe, Tennisringe, Doppelklöppel, Tücher, Säckchen. Es werden Ballspiele gespielt und es wird gemeinsam gesungen. Ein wichtiger Teil der Gruppengymnastik ist die Gehübung, zusammen mit einem Partner, in den Händen 2 Stäbe haltend und entsprechend der Mitbewegungen der Arme schwingend. 

 

Bei der Einleitung und beim Abschluss werden häufig Atemübungen gemacht. Die Übungen werden stehend, sitzend, kniend, aus der Bauchlage, aus der Rückenlage oder aus der Seitenlage ausgeführt. Die meisten Übungen sind Partnerübungen.

Sprechtherapie

Neben der optimalen Parkinson-Medikation ist bei Sprechstörungen auch eine gezielte logopädische Sprech- und Stimmbehandlung notwendig. Im Rahmen dieser Therapie werden die Zusammenhänge der Körperwahrnehmung, Atmung, Haltung und Bewegung wie auch Stimmgebung und Artikulation vermittelt.

 

Ziel der Therapie ist es, die Leistungsfähigkeit der Stimme zu steigern. Voraussetzung ist die aktive Mitarbeit des Patienten. Er sollte die Übungen selbständig durchführen, im Alltag anwenden und auch seine Sprechgewohnheiten ändern können. 

 

Nach der logopädischen Befunderhebung werden individuell abgestimmte Therapiemaßnahmen durchgeführt:

  • Verbesserung der Körperwahrnehmung

  • Körperspannungsübungen durch Entspannungsübungen bzw. Spannungsaufbau

  • Verbesserung der Körperhaltung und Bewegung

  • Physiologische Atmung und Erweiterung der Atemräume

  • Verbesserung der Stimmproduktion: Übungen zur Stimmkräftigung oder zur Resonanz mit Silben oder Wörtern, die zu Sätzen ausgeweitet werden

  • Verbesserung der Artikulation

  • Übertragung des Erlernten in den Alltag

Ein speziell für die Behandlung der Sprech- und Stimmstörungen von Parkinson-Patienten entwickeltes, wissenschaftlich erprobtes Therapieprogramm ist das Lee Silverman Voice Treatment (LSVT©)

 

Die Methode, die von den Sprachtherapeutinnen Ramig und Mead (1987) entwickelt und nach einer der ersten Patientinnen benannt wurde, unterscheidet sich von anderen Therapieformen darin, dass eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit über das Erhöhen der Lautstärke angestrebt wird („All you need is loud“). In dem vierwöchigen Intensivprogramm werden regelmäßig Übungen zur Verbesserung der Stimmfunktion und Sprechlautstärke durchgeführt. 

 

Verschiedene Untersuchungen belegen, dass die Stimme im Sprechsystem eine Schlüsselrolle spielt. Intensives Stimmtraining hat häufig deutliche Verbesserungen anderer Bereiche des Sprechens wie der Atmung, der Aussprache und der Satzmelodie bewirkt („Cross-over“-Effekt). 

 

Das LSVT-Programm besteht aus drei Grundübungen zur Stimmkräftigung und Erweiterung des Stimmumfanges, die täglich wiederholt werden und einem Sprechtraining, das der Übertragung der erarbeiteten Lautstärke auf die Sprechstimme dient. 

 

Durch die Grundübungen werden die krankhaften Veränderungen der Parkinson-Patienten beeinflusst. Die vermehrte Anstrengung, die für die höhere Lautstärke notwendig ist, vermindert die Hypokinese und führt dadurch zu einem verbesserten Stimmbandschluss und zu einer stabileren Stimmgebung. 

 

Neben der klaren Struktur und dem systematischen Aufbau des Trainings ist ein wichtiger Vorteil die sofortige Übertragung der lauteren Stimme auf das Sprechen. Bereits am ersten Tag kann der Patient die erhöhte Lautstärke anhand einiger kurzer Äußerungen anwenden. Dies steigert sich im Verlauf der 4-wöchigen Therapie bis zur freien Konversation, mit einem eindeutigen Feedback für den Patienten. Schallpegelmessungen, Video- und Tonaufnahmen tragen zur Motivation der Patienten bei. Die übliche Einzeltherapie wird ergänzt durch Gruppensitzungen, wobei auch Alltagssituationen durchgespielt werden, mit sofortigem Feedback durch die Gruppe.

Schlucktraining

Wegen der engen Zusammenhänge des Schluckens und des Sprechens sowie der Atmung, werden die Schluckstörungen im Allgemeinen multidisziplinär (also durch Therapeuten von mehreren Therapierichtungen wie Logopädie, Physiotherapie, Atemtherapie gemeinsam) behandelt. In der Therapie wird ein individuell an die vorliegenden Schluckstörungen angepasstes Funktionstraining verwendet. 

 

Das sogenannte Schlucktraining beinhaltet die Einübung eines effizienten Schluckvorgangs, das Training der Mund- und Gesichtsmuskulatur bezüglich Kräftigung, Koordination und Bewegungsauslenkung von Lippen, Zunge, Wangen und Kiefer. Die Anleitung zum Schlucken verschiedener Nahrungskonsistenzen (flüssige, breiige, feste Nahrung) ist Teil dieser Therapie. Mittels Schluck- und Haltungsübungen (wie zum Beispiel "Kinn zur Brust") kann der Ablauf des Schluckens verbessert werden. Auch die richtige Koordinierung der Atmung und des Schluckvorganges können zur Verhinderung des Verschluckens beitragen.

Ergotherapie

Ziele der Ergotherapie

Unter Ergotherapie oder Beschäftigungstherapie versteht man eine komplexe Therapieform. Sie unterstützt und begleitet die Patienten, die durch die Krankheitsfolgen in ihrer Handlungsfähigkeit bei den für sie bedeutungsvollen Betätigungen eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel der ergotherapeutischen Behandlung ist, die Patienten in der Durchführung dieser Betätigungen in den Bereichen Alltagsleben (Alltagskompetenz), Selbstversorgung, Beruf und Freizeit zu stärken. Hierbei handelt es sich um das Trainieren spezifischer Aktivitäten, aber auch um Beratung und Umweltanpassung. Die Ergotherapie gibt den Patienten die notwendige Handlungsfähigkeit im Alltag und in der Gesellschaft zurück und führt dadurch zur Verbesserung der Lebensqualität. 

Das Trainieren zielt auf Verbesserung, bestmögliche Wiederherstellung (Restauration) oder mindestens auf Kompensation der ausgefallenen oder beeinträchtigten Fähigkeiten und Funktionen. Neben diesen geeigneten Übungen kann auch der Einsatz von Hilfsmitteln dazu beitragen, dass die verbleibenden Fähigkeiten angepasst bzw.  die verlorenen kompensiert werden. 

 

Die therapeutischen Ziele werden nach ausführlichen Gesprächen mit dem Patienten und möglichst auch mit den Angehörigen und nach Analyse seiner aktuellen Einschränkungen aufgestellt. Für das Festhalten des aktuellen Zustandes und für die Verlaufskontrolle werden verschiedene Beurteilungsskalen eingesetzt (z.B. PDQL = Parkinson´s Disease Quality of Life). Die verbliebenen Fähigkeiten können mit weiteren standardisierten Verfahren und Testuntersuchungen (Gehstrecke, Steck-Test) festgestellt werden. Das nach dieser Momentaufnahme festgelegte Hauptziel kann z.B. die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, die Zunahme der Selbstständigkeit im Alltagsleben aber auch die bessere Adaptation in die Gesellschaft (Familie, Freundeskreis, Berufsleben) sein. 

 

Selbstverständlich ist die Berücksichtigung der für die Patienten wichtigen Therapieziele von großer Bedeutung, weil sonst die notwendige Motivation und aktive Mitarbeit des Patienten fehlen kann. Die Einbeziehung der Angehörigen bei der Ergotherapie stellt die Berücksichtigung der Angehörigenwünsche sicher und kann durch gemeinsames Erlernen der Übungen auch für die Kontinuität der Therapie in der häuslichen Umgebung sorgen.

Übungsprogramme

Wichtige Teile des Übungsprogramms sind
  • Alltagstraining
  • Haushaltstraining
  • Berufsbezogenes Training
  • Training der Freizeitaktivitäten

Die Übung der alltäglichen Verrichtungen beinhaltet das Training von Tätigkeiten wie Körperpflege, Anziehen, Knöpfe schließen, Schuhe binden , Fleisch schneiden, Essen, Trinken aber auch komplexere Tätigkeiten wie Einkaufen, in die Bank gehen usw. 

 

Das Haushaltstraining zielt auf die Tätigkeiten in der Haushaltsführung (z.B. Küchentraining). 

 

Bei dem berufsbezogenen Training oder Arbeitsplatztraining müssen die Besonderheiten des Arbeitsplatzes mit einbezogen werden, dies kann eventuell die Beobachtung des Patienten am Arbeitsplatz notwendig machen. 

 

Die Freizeitaktivitäten (Handarbeit, Basteln, Malen usw.) können gezielt geübt werden.

Umgestaltung der Umwelt

Die Beratung bezüglich der Gestaltung der Wohnung und des Arbeitsplatzes, der Kleidung etc. ist eine bedeutende Aufgabe des Ergotherapeuten. Auch die Analyse und Veränderung bestimmter Gewohnheiten, die z.B. Stress oder Sturzgefahr verursachen, kann zur Verbesserung der Lebensqualität der Patienten beitragen. Für diese Analyse sind Patienten-Tagebücher (z.B. Sturz-Tagebuch) gut geeignet. So können z.B. die Probleme der sog. simultanen Tätigkeiten (gleichzeitige Tätigkeiten, Dual task-Tätigkeit), die zum Sturz führen können, bewusst gemacht werden. Es können durch die Analyse der problematischen Handlungsabläufe Gegenstrategien entwickelt werden.

Hilfsmitteltraining

Bei der Hilfsmittelberatung ist zu berücksichtigen, dass es für viele Parkinson-Patienten peinlich ist, sich in der Öffentlichkeit mit Hilfsmitteln zu zeigen. Dementsprechend ist es neben der Auswahl und Übung mit den geeigneten Hilfsmitteln auch eine psychologische Überzeugungsarbeit mit dem Ziel, dass die Patienten diese Hilfen auch benutzen. Vor der endgültigen Verordnung sollten die Hilfsmittel durch die Patienten erprobt werden. 

 

Für die Parkinson-Patienten geeignete Hilfsmittel sind:

  • Erhöhter Tisch
  • Stuhl mit hoher Rückenlehne und Armlehnen
  • Keilförmiges Kissen als Aufstehhilfe
  • Katapult-Sessel (für das Aufstehen vom Sessel)
  • Bettgalgen (Aufrichthilfe)
  • Haltegriffe in der Wohnung und im Bad
  • Badewannen-Lift
  • Treppenlift
  • Barrierefreie Wohnung
  • Schlüssel-Drehhilfe
  • Türgriffverlängerung
  • Fixierter Allzweckschäler in der Küche
  • Fixierbrett in der Küche
  • Elektrischer Dosenöffner
  • Anmontierter Schraubverschluss-Öffner
  • Selbstöffnende Haushaltsschere
  • Absenkbares Bettgeländer
  • Verstellbares Bett
  • Krankenbett
  • Rutschige Bettwäsche (Umdrehen im Bett besser möglich)
  • Leichtere Bettdecke
  • Stift mit dickem Griff
  • Besteck mit dickerem Griff
  • Rutschfeste Unterlage
  • Warmhalteteller
  • Tiefe Teller
  • Schnabeltasse
  • Strohhalm
  • Knöpfhilfe
  • Strumpfanzieher
  • Langer Schuhlöffel
  • Elastischer Schnürsenkel
  • Schuhe ohne Schnürsenkel oder mit Klettverschluss
  • Kleidung mit Reiß- oder Klettverschluss anstelle von Knöpfen
  • Kleidung ohne Kunstfasern (Schwitzen!)
  • Kleidung ohne Kunstfasern (Schwitzen!)
  • Tabletten-Teiler
  • Tabletten-Box
  • Multitimer (Erinnerung für die Tabletteneinnahme)
  • Gehstock
  • Freezing-Stock
  • Freezing-Laser-Stock
  • Unterarmgehhilfe
  • Rollator mit Bremse und Sitz
  • Freezing-Rollator mit Laser
  • Adaptiertes Fahrrad
  • Automatikschaltung im Auto
  • Rollstuhl
  • Hüftpolster- Hüftprotektor
  • Knieschoner
  • Sturzhelm
  • Tremor-Maus für Computer
  • Kommunikator (bei unverständlicher Sprache)
  • Gewichtsmanschette (bei Tremor)
  • Großtastentelefon
  • Schnurloses Telefon mit Hilfetaste
  • Funkfinger
  • Fernbedienung mit großen Tasten

Schreibtherapie

Die Parkinson-typische Schreibstörung ist die so genannte Mikrographie, das heißt, dass die Buchstaben im Laufe des Satzes immer kleiner werden, bis zur Unleserlichkeit. Diese Störung bereitet für die Patienten viele Probleme, z.B. auch dann, wenn die eigene Unterschrift nicht anerkannt wird. Bei den Tremor-Formen der Parkinson-Krankheit, bei denen auch ein Aktions- und Haltetremor vorhanden sind, ist das Schriftbild verzittert, krakelig.

 

Ziel der therapeutischen Bemühungen ist, dass der Patient lernt, größer und schneller zu schreiben. Hierzu ist das Schreiben auf der Tafel oder auf einem Papier mit Hilfslinien und einer Reihe von vorgedruckten Buchstaben oder Ziffern gut geeignet. Diese Übung kann gut auch in der Gruppentherapie verwendet werden. Wichtig ist aber, dass der Patient diese Übung täglich auch zu Hause durchführt. 

 

Bei der Mikrographie können das Ab- und das erneute Ansetzen des Stiftes dazu führen, dass die Buchstaben leserlich bleiben. Bei sehr starker Mikrographie kommen die Umstellung auf Druckbuchstaben und eventuell Seiten mit Hilfslinien in Frage. 

 

Bei speziellen Schreibproblemen (Unterschrift, Ausfüllen von Formularen) hat die Einzeltherapie Vorteile. Bei starkem Tremor hilft die Strategie mit Großbuchstaben nicht, hier kann die Fixierung der Hand mit der anderen Hand, das Auflegen des Unterarmes, eventuell das Anbringen einer Gewichtsmanschette vorteilhaft sein.

Kreativitätstherapie

In der Ergotherapie werden zur Verbesserung der Fingerfertigkeiten auch verschiedene Techniken wie Zeichnen, Malen, Basteln, Korbflechten, Batikarbeiten angewendet. Viele Patienten, die früher mit diesen Techniken nicht vertraut waren, lernen in der Beschäftigungstherapie diese Techniken und finden dabei eine neue Freizeitbetätigung, einige sogar eine neue Künstlerkarriere. 

 

Die Festsstellung, dass der Patient trotz der krankheitsbedingten Einschränkungen immer noch in der Lage ist, etwas Vernünftiges und Schönes zu schaffen, hat eine starke emotionale Wirkung und hilft bei der Krankheitsbewältigung. Dadurch spielt auch diese, in der Zwischenzeit verselbstständigte Therapieform in der Verbesserung der Lebensqualität der Parkinson-Patienten eine wichtige Rolle. 

 

Zahlreiche Ausstellungen von Parkinson-Künstlern und auch einige Publikationen sprechen für den Erfolg dieser Therapie.

Musiktherapie, therapeutisches Singen

Die Rolle von Rhythmus und Musik bei den krankengymnastischen Übungen ist in den entsprechenden Kapiteln der Physiotherapie, insbesondere bei den Gehübungen dargestellt. Diese rhythmisch-akustische Stimulation führt zur Verbesserung der Schrittlänge, der Schrittgeschwindigkeit, sollte aber kontinuierlich durchgeführt werden. 

 

Das rhythmische Sprechtraining zeigt mit Hilfe eines Taktgebers (Metronom) positive Resultate im Bereich des Sprechtempos und des Silbenflusses. Insbesondere bei der beschleunigten und verwaschenen Sprache bringt diese Methode Vorteile. 

 

Das musikalische Stimmtraining beinhaltet Techniken für verschiedene Eigenschaften der Stimmgebung: Tonspektrum. Lautstärke, Klangfarbe, Stimm-Atem-Koordinierung. Zu den Übungen gehören: Vokale und Tonleiter singen, Zwerchfellatmung usw. 

 

Das Singen in der Gruppe als Therapie wird bei Parkinson-Patienten besonders häufig verwendet. Dies ist auch ständiger Bestandteil der Zusammenkünfte der Parkinson-Selbsthilfegruppen. Das Singen verbessert die parkinson-typische Sprechstörung und die eingeschränkte Atmung. Neben dieser Verbesserung der genannten motorischen Symptome hat das gemeinsame Singen auch eine positive psychologische und emotionale Wirkung. Das Erleben der Gesellschaft und der Zugehörigkeit wirkt auch gegen die Rückzugs- und Isolierungstendenzen vieler Patienten. 

 

Für die Gruppen existieren entsprechende Liederbücher. Es ist üblich, dass das Singen von instrumentaler Musik begleitet wird. In der Gruppe werden auch Atemübungen gemacht und elementare Lautgebungen (Stöhnen, Seufzen, Gähnen) geübt.

Balneo-physikalische Anwendungen, Massagen, Elektrotherapie

Die Rolle des Bewegungsbades und des therapeutischen Schwimmens wurde im entsprechenden Kapitel dargestellt. 

 

 Zur Behandlung von Muskelverspannungen und von begleitenden orthopädischen Erkrankungen werden

  • Massagen
  • Unterwassermassagen
  • Stanger-Bad
  • Wannenbäder
  • Wärme- und Kälteanwendungen
  • Kurzwellentherapie
  • Elektrotherapie
  • Ultraschalltherapie
  • Inhalationstherapie

als Bestandteil des physikalischen Gesamtkonzeptes des einzelnen Patienten eingesetzt. 

 

Bei der in den letzen Jahren empfohlenen Ganzkörpervibrationen konnten keine dauerhaften Effekte nachgewiesen werden.

Weitere Therapien

Entspannungsübungen

Die komplexe Begleittherapie der Parkinson-Krankheit beinhaltet auch die Verwendung von Entspannungstechniken. Ziel dieser Techniken ist die Herbeiführung einer Entspannungsreaktion, die auf neuronaler Ebene die Aktivierung des parasympathischen und die Hemmung des sympathischen Nervensystems bedeutet. Im körperlichen Bereich wird der Muskeltonus herabgesetzt, die Reflextätigkeit vermindert, das Gefäßsystem erweitert, die Herzfrequenz verlangsamt, der Blutdruck gesenkt und der Sauerstoffverbrauch reduziert. Im psychischen Bereich wird Gelassenheit, Zufriedenheit und Wohlbefinden erlebt und die Konzentrationsfähigkeit und die Körperwahrnehmung verbessert. 

 

Das autogene Training und die progressive Muskelentspannung nach Jacobson sind die beiden klinisch am häufigsten verwendeten Entspannungstechniken. Beide sind relativ einfach und für Patienten ohne kognitive Beeinträchtigung unter fachlicher Anleitung leicht zu erlernen. Es sind auch entsprechende Bücher und Audio-CDs zum Selbststudium erhältlich.

Autogenes Training

Das autogene Training wurde von Schultz als autosuggestives Entspannungsverfahren entwickelt. Der Übende konzentriert sich auf kurze vorgegebene Situationen, die eine Zeit lang langsam wiederholt werden, wie zum Beispiel „die Arme und Beine sind schwer“ oder „die Atmung geht ruhig und gleichmäßig.“

Progressive Muskelentspannung

Jacobson entwickelte mit ähnlichen Zielen die progressive Muskelentspannung (progressive Muskelrelaxation). Bei dieser Entspannungstechnik spannt der Übende einzelne Muskelgruppen an und lässt sie wieder los. Wesentlicher Bestandteil der Übung ist, dass der Übende auf die empfundenen Unterschiede zwischen Anspannung und Entspannung achtet. 
Durch die gelernten Übungen, die dann von den Patienten immer wieder wiederholt werden, kann der krankheitsbedingte Stress reduziert werden und können Stress-Situationen wie z.B. die „off“-Phasen besser bewältigt werden. 
Eine Besonderheit der Entspannungstechniken bei der Parkinson-Krankheit ist, dass am Anfang der Ruhetremor verstärkt werden kann. Körperteile mit starkem Rigor sollten im Allgemeinen nicht in die Übungen einbezogen werden. 
Für die Behandlung psychotischer oder schwer depressiver Patienten sind diese Verfahren nicht geeignet. Eine Demenz verhindert im Allgemeinen das Erlernen dieser Techniken. 
Zahlreiche andere Verfahren wie z.B. QiGong, Meditation, Yoga usw. beinhalten auch entspannungstechnische Elemente.

Kognitives Training

Parkinson-Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und Gedächtnisstörungen können von verschiedenen Trainingsprogrammen profitieren, obwohl die Wirksamkeit dieser Methoden bisher nicht eindeutig bewiesen werden konnte. Es existieren einige computergestützte Programme aber auch „Papier-Bleistift“-Übungen. Spielerische Übungen können auch hilfreich sein, des weiteren das Erlernen verschiedener Gedächtnisstrategien und das Kennenlernen geeigneter Hilfsmittel. 

 

 

Wichtig ist auch die Heranführung der Patienten auf das Eigentraining, im Allgemeinen mit Hilfe der Angehörigen, die in die Therapie immer einbezogen werden sollten. Geeignete Übungen sind für das Eigentraining z.B. das Reproduzieren des Tagesgeschehens, die Führung eines Gedächtniskalenders, das Erzählen der Inhalte der Tageszeitung oder eines Fernsehprogramms. Kartenspiele, Schach und andere Gesellschaftsspiele sind förderlich. 

 

 

Die Überforderung der Patienten ist zu vermeiden, infolge dessen ist auch eine zeitliche Begrenzung der Übungen notwendig. Auch unrealistische Zielsetzungen würden den Patienten überfordern.

Psychotherapie

Die psychotherapeutischen Maßnahmen bilden neben der medikamentösen, neurochirurgischen und den körperlichen Begleittherapien den vierten Grundpfeiler der Parkinson-Therapie. Die Behandlung wird im Allgemeinen aufgrund verhaltenstherapeutischer Ansätze durchgeführt. Die Verhaltenstherapie will den Patienten die „Hilfe zur Selbsthilfe“ ermöglichen, ihm nach Aufklärung und Analyse seiner Probleme Lösungen an Hand geben, mit denen er in der Zukunft besser zu Recht kommt. 

 

Das primäre Ziel der Psychotherapie bei der Parkinson-Krankheit ist, dass die krankheitsbedingten Einschränkungen die Lebensqualität und die soziale Integration der Patienten möglichst wenig beeinflussen. Bei unvermeidlichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der Integration kann die Psychotherapie durch Aufzeichnen von Alternativen die psychische Akzeptanz der Krankheit fördern und das vernünftige Zusammenleben mit der Krankheit ermöglichen. Sie kann auch der durch Scham, Angst, Depression verursachten Verstärkung der körperlichen Krankheitssymptome entgegenwirken. Das Therapieziel ist also die Minimierung des durch die Krankheit verursachten Belastungserlebens bei dem Patienten selbst, bei den Angehörigen und auch bei den Betreuungspersonen.

 

Bei den Patienten geht es um den besseren Umgang mit den krankheitsbedingten, in erster Linie sozialen Belastungen des Alltags. Die verbesserte Alltagskompetenz kann die Stresssituationen des Tages, die auf die Krankheit und auf ihre soziale Folgeerscheinungen zurückzuführen sind, minimieren, was wiederum die symptom- verschlechternde Wirkung dieser Stressoren herabsetzen kann. 

 

Für die Angehörigen und Betreuer ist das Erlernen des richtigen Umgangs mit der Krankheit und mit dem Patienten wichtig. Sie müssen den Mittelweg zwischen notwendiger Hilfeleistung und Überversorgung (überprotektives Verhalten) finden. Auch der Rollenwechsel in der Familie infolge der Krankheit führt häufig zu Konfliktsituationen, die zu lösen sind. Eine psychische und körperliche Überforderung der Angehörigen ist ebenfalls frühzeitig zu erkennen und für sie Lösungsansätze zu erarbeiten. 

 

Von grundsätzlicher Bedeutung ist die richtige Information, die Aufklärung des Patienten. Die Diagnose ist im Allgemeinen ein tiefer Einschnitt in das Leben, in die Lebensplanung des Betroffenen und auch der Angehörigen. Sie führt verständlicherweise zu schweren Zukunftsängsten, zu einer reaktiv-depressiven Phase, verursacht Schamgefühle und auch häufig Rückzugstendenzen. In dieser Situation kann die stützende Psychotherapie dem Patienten mit der richtigen Aufklärung, mit der objektiven Analyse der Situation und mit dem Aufzeichnen der Möglichkeiten, nämlich, dass ein lebenswertes Zusammenleben mit der Krankheit möglich ist, den schweren Vorgang der Krankheitsakzeptanz und der Krankheitsbewältigung erleichtern. 

 

Der Krankheitsbewältigung dienen weitere Ansätze der psychischen Begleitung. Die Förderung der krankheitsbezogenen Kommunikation, des emotionalen Ausdrucks, die Entwicklung von Problemlösungs- und Stressbewältigungsstrategien, die Lösung sexueller und familiäre Probleme, das Erlernen von Entspannungstechniken und das kognitive Training gehören zu diesen Ansätzen.

Angehörigenbetreuung

Parkinson-Angehörige leiden mit

„Verwandte von Menschen, die an Morbus Parkinson erkrankt sind, weisen ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Angsterkrankungen auf.“ 

 

Zu lesen war dies im Jahr 2007 als zusammenfassendes Ergebnis einer US-Studie. Wissenschaftler hatten 1000 Verwandte ersten Grades von 162 Parkinson-Patienten untersucht. Wie wir aus einer anderen Studie wissen, beginnen die Belastungen bereits in frühen Stadien und setzen sich um ein Vielfaches bis in die Spätstadien der Erkrankung fort.

Die Belastung der Angehörigen

Diese Krankheit, die sich im motorischen Bereich durch eine allgemeine Verlangsamung aller Bewegungsabläufe, durch Muskelsteifheit mit mühsamen Bewegungen in den großen Gelenken und möglicherweise durch ein Zittern äußert, ist von Beginn an nicht nur für den Betroffenen selbst von Bedeutung, sondern auch für die ganze Familie, insbesondere für die „Pflegenden“ in der Familie. In der Regel sind dies die Ehepartner und/oder die Kinder. In vielen Gesprächen mit Angehörigen wird auch deutlich, dass es eben nicht nur die Bewegungsstörungen sind, sondern auch und manchmal sogar insbesondere die Veränderungen im seelisch-geistigen Bereich. Besonders zu erwähnen ist dabei die depressive Verstimmung des Patienten mit Rückzugstendenz, Ängstlichkeit mit einer ausgeprägten Neigung zum „Klammern“, aber auch die sich in einigen Fällen entwickelnde Demenz mit Trugwahrnehmungen bis hin zur Psychose. 

 

Oft wird besonders von betroffenen Ehefrauen der Fehler gemacht, die Patienten vorzeitig von allen Dingen des Alltags zu entlasten. Das funktioniert gut bei akuten Erkrankungen wie einer Grippe oder einer Lungenentzündung und dort ist es sicher auch angebracht. Aber bei einer Erkrankung, die einen chronisch fortschreitenden Verlauf zeigt, die weder gestoppt noch geheilt werden kann, zeigen sich sehr bald Grenzen in der seelischen und auch körperlichen Belastbarkeit. In der Regel dreht sich nach einer mittleren Krankheitsdauer der Alltag zu einem erheblichen Teil um die Krankheit. Wenn eine Fallneigung vorliegt oder „off“-Phasen auftreten, in denen sich der Patient nicht mehr allein versorgen kann, so sind die Partner in einer „Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft“, wie man sie im beruflichen Bereich keinem Menschen zumuten würde. Wenn Schlafstörungen dazu kommen, ist auch der Nachtschlaf des Angehörigen beeinträchtigt, da die Patienten häufig Hilfe beim Gang zur Toilette benötigen oder sie sich im Bett nicht mehr allein umdrehen können. Manche Angehörige haben, wenn sie mit dem Patienten in der Klinik ankommen, jahrelang schon keine Nacht mehr durchgeschlafen. Der Patient hat die Möglichkeit, den fehlenden Nachtschlaf am Tag nachzuholen, der Angehörige in der Regel nicht. Es gibt weder einen Feierabend, noch ein Wochenende, noch Urlaub und keine Aussicht auf Veränderung.

 

Eine solche Aufgabe ist Kräfte zehrend und will gewürdigt sein. Aber auch da gibt es Mängel. Trotz aller professionellen medizinischen und pflegerischen Versorgung ist der Partner der wichtigste Rückhalt. Für den Rest der Familie ist es normal, dass die Patienten von ihrem Ehepartner versorgt werden. Nur ein kleiner Teil erhält spontane Unterstützung. Der Betroffene selbst ist in seiner Mimik und Gestik krankheitsbedingt deutlich eingeschränkt, so dass die sonst in einer Ehe normalen Dankesbekundungen durch ein Lächeln oder ein Leuchten in den Augen immer weniger werden. Einige Angehörige haben sogar das Gefühl, dass die Patienten „engstirniger“ und „egoistischer“ werden und nur noch an sich denken. Die Bedürfnisse der pflegenden Partner zählen nicht mehr. Es wäre deshalb wünschenswert, Belastungen von Beginn an mehr zu verteilen. 

 

Die Angehörigenarbeit hat die Aufgabe, die Pflegenden zu aktivieren, von Beginn an über mögliche Hilfsangebote durch andere Familienmitglieder und/oder durch professionelle Helfer nachzudenken und diese Hilfe dann auch anzunehmen. Um an Informationen über Aufklärungs-, Hilfs- und Entlastungsmöglichkeiten zu kommen, sollten neutrale Beratungsstellen bei den Krankenkassen, den Sozialämtern, den ambulanten Pflegediensten vor Ort und vor allem bei der Deutschen Parkinson-Vereinigung genutzt werden.

Erhaltung der Selbständigkeit der Patienten

Patienten wiederum klagen häufig darüber, dass sie zu Hause „entmündigt“ werden. Da alles lange dauert, zum Beispiel auch Antworten auf Fragen oder Entscheidungen, diese werden dem Patienten oft abgenommen, nicht immer zu dessen Freude und in seinem Sinne. Die ohnehin schon beschriebene Rückzugstendenz der Patienten wird dadurch weiter vertieft und sie werden zusätzlich in eine unfreiwillige Passivität gedrängt. Ein gutes Beispiel dafür sind die Gespräche mit Ärzten. Etwa bei jedem dritten Aufnahmegespräch von Patienten, bei denen Ehepartner anwesend sind, antwortet spontan der Angehörige auf die Fragen des Arztes, nicht der Patient. Unabhängig davon, dass dieses Vorgehen – wie oben bereits beschrieben – für den Patienten nicht förderlich ist, nimmt es dem Arzt einen wesentlichen Aspekt seiner intuitiven Wahrnehmung. 

 

Im normalen Alltagsleben werden dem Patienten - oft aus Ungeduld - bestimmte Tätigkeiten abgenommen, die er durchaus noch selbst ausführen könnte, wenn er nur genügend Zeit hätte. Auch dies wirkt sich negativ aus – es ist ja eigentlich gut gemeint – aber führt eher zu einer Demotivierung des Patienten. Der richtige Weg wäre, dem Betroffenen ausreichend Zeit zur Verfügung zu stellen und ihn dabei zu unterstützen, sein Ziel zu erreichen. Die Aufgabe besteht nicht darin, dem Patienten Arbeit abzunehmen, sondern eher darin, ihm zu helfen, so lange wie möglich selbständig zu bleiben.

Aufklärung der Angehörigen

Unverständnis erfahren Betroffene meist in dem Stadium der Erkrankung, in dem sogenannte gute und schlechte Phasen der Beweglichkeit auftreten. Innerhalb von Sekunden kann ein bis dahin gut beweglicher Patient völlig hilflos werden. Nicht selten werden sie dann verdächtigt, zu simulieren, was wiederum zu Frustration auf beiden Seiten führt. Angehörige sollten sich darüber im Klaren sein, dass diese Schwankungen in Abhängigkeit von der Wirkung der Medikamente auftreten können und für diese Phasen Verständnis zeigen. Möglicherweise benötigen die Patienten in diesen Phasen Hilfe, obwohl sie sonst selbständig sind. Aufgabe der Angehörigenarbeit ist es hier, die Pflegenden über das Wesen und die Besonderheiten dieser Erkrankung aufzuklären. Ein Angehöriger, der die Krankheit nicht kennt, ist von vornherein überfordert. 

 

Im Rahmen der Angehörigenarbeit sollten die Pflegenden außerdem dazu angeregt und ermuntert werden, sich einmal in der Woche mit ihren Partnern zusammenzusetzen, um Probleme, die in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit der Krankheit aufgetreten sind, in Ruhe miteinander besprechen zu können. Es löst sich nicht alles in der Luft auf, auch wenn wir alle uns das manchmal wünschen. Mitten im Alltagsleben – nämlich da, wo die Luft brennt – ist meist nicht ausreichend Gelegenheit dafür. Um nichts zu vergessen, sollte ein Tagebuch über besonders belastende Situationen geführt werden. 

 

In Anwesenheit des Betroffenen haben Angehörige manchmal nicht den Mut, über Gefühle und persönliche Belastungen zu sprechen. Sie haben den Eindruck, den Partner damit noch zusätzlich zu belasten. Aus diesem Grund führen wir in der Klinik spezielle Angehörigen-Gesprächsgruppen durch, in denen ein Therapeut nur für die Angehörigen da ist. Frei von selbst aufgebauten äußeren Zwängen ist es für viele leichter, ihre persönlichen Probleme im täglichen Zusammenleben zur Sprache zu bringen und gemeinsam kann man dann nach Lösungen suchen. Hier ist insbesondere auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Angehörigen von Vorteil. Häufig hat einer der Anwesenden schon das gleiche Problem gehabt und weiß bereits eine praktikable Lösung. Hier sind insbesondere die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln oder die Teilnahme an besonderen Therapieverfahren zu nennen. 

 

Angehörige haben für sich selbst oft keine Zeitreserven mehr. Da sie sich rund um die Uhr um ihren Partner kümmern müssen, bleiben die eigenen Bedürfnisse und Beschwerden auf der Strecke. Belastung und Beschwerden beeinflussen sich jedoch oft gegenseitig und auf diesem Weg kommt es zu einer völligen subjektiven und objektiven Erschöpfung, auch „Burn-out-Syndrom“ genannt. 

 

Angehörigenarbeit bedeutet, die Betreuenden auf diesen Teufelskreis aufmerksam zu machen und ihnen nahe zu legen, in diesen Fällen unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine psychotherapeutische und vielleicht auch medikamentöse Behandlung kann den Pflegenden helfen, wieder aufzuleben und neue Kraft für die kommenden Jahre zu schöpfen.

Dr. Fornadi 2009

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