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Journal Club: Neue Möglichkeiten zur Früherkennung
Die Behandlung der Parkinson-Erkrankung ist bislang eine rein symptomorientierte Therapie. Da es derzeit nicht möglich ist, die Erkrankung ursächlich zu behandeln, konzentriert man sich auf eine möglichst vollständige Unterdrückung der Symptome, insbesondere durch Medikamente aber auch andere Therapieverfahren, wie zum Beispiel die tiefe Hirnstimulation.

Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankung ist die Verklumpung eines bestimmten Eiweißkomplexes, des sog. Alpha-Synuklein. Das verklumpte Alpha-Synuklein lagert sich in Nervenzellen ab und führt durch Übertragung an die benachbarten Zellen zu einem Fortschreiten des Krankheitsprozesses. Besonders folgenreich ist der hierdurch verursachte Verlust an Nervenzellen in der „schwarzen Substanz“ des Mittelhirns, wo der Botenstoff Dopamin produziert wird. Ein wesentliches Problem bei der Diagnose der Parkinson-Erkrankung war bislang, dass die typischen Einschränkungen der Beweglichkeit erst dann sichtbar werden, wenn ein Großteil der Nervenzellen bereits untergegangen ist. Ein neues Verfahren, der sogenannte Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA), ermöglicht den frühzeitigen Nachweis der verklumpten Eiweißbestandteile im Nervenwasser. Dies ist von besonderer Bedeutung, da das verklumpte Eiweiß bislang zu Lebzeiten nicht nachgewiesen werden konnte und nun als ein früher Hinweis auf eine Parkinson-Erkrankung dienen könnte.


Die neue Methode wurde in einer Studie genauer untersucht, an welcher Forschungsinstitute in Europa, Israel und den USA beteiligt waren und welche vor kurzem in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift Lancet Neurology veröffentlicht wurde.


An der Studie nahmen über 1.100 Proband*innen teil, von denen über die Hälfte an Parkinson erkrankt waren. Die anderen Teilnehmenden waren teils gesunde Kontrollpersonen oder zeigten eine Störung des Geruchssinnes (ein häufiges Frühsymptom der Parkinson-Erkrankung), aber keine weiteren Parkinson-typischen Symptome.


Zusammengefasst konnte die Studie zeigen, dass der neue SAA-Test eine ausreichend hohe Sicherheit bietet, um das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung festzustellen. So war das Testergebnis bei 88 Prozent der Parkinson-Patient*Innen positiv und bei 96 Prozent der gesunden Kontrollpersonen negativ – beide Werte stellen für medizinische Testverfahren sehr gute Ergebnisse dar.


Auch für die Gruppe der Teilnehmer*innen mit eingeschränktem Geruchssinn ohne weitere Parkinson-Symptome zeigte sich bei 97 Prozent ein auffälliges Testergebnis, wobei sich bei knapp zwei Drittel dieser Gruppe noch keine Hinweise auf krankhafte Veränderungen der Nervenzellen selbst fanden. Hieraus kann abgeleitet werden, dass die Alpha-Synuclein Ablagerungen ein sehr früher Hinweis auf die sich anbahnende Krankheit sein könnten. Die neue Methode bietet somit potenziell die Möglichkeit, die Erkrankung bereits in einem sehr frühen Stadium zu erkennen. Dies kann zukünftig insbesondere für Menschen von Bedeutung sein, bei denen etwa unspezifische Frühsymptome (zum Beispiel eine Riechstörung), aber noch nicht die typischen Einschränkungen der Beweglichkeit vorliegen. Die Entwicklung eines genaueren Tests für eine frühere Diagnose der Parkinson-Erkrankung ist damit zweifelsohne ein wichtiger und zentraler Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten.


Die Planung von weiteren wissenschaftlichen Studien zur kausalen, also ursächlichen, Behandlung der Parkinson-Erkrankung wird durch die neuen Möglichkeiten der Früherkennung deutlich erleichtert. Mit der neuen Testmethode wird es zum Beispiel möglich sein, die Wirkung von zellschützenden Medikamenten auf den Krankheitsprozess in einem Stadium zu prüfen, in dem erst geringer Schaden an den Nervenzellen entstanden ist.


Die neue Methode ist derzeit noch nicht Teil der Standarddiagnostik, sondern auf spezialisierte Forschungseinrichtungen beschränkt. Auch die Notwendigkeit einer Abnahme von Nervenwasser mag für viele Betroffene zunächst noch abschreckend sein, wobei ähnliche Testverfahren auch für Blut, Haut und Schleimhaut in Studien untersucht werden.


Literatur

Assessment of heterogeneity among participants in the Parkinson's Progression Markers Initiative cohort using α-synuclein seed amplification: a cross-sectional study

Siderowf, Andrew et al.: Lancet Neurology, Volume 22, Issue 5, 407–417

Quelle:

https://parkinsonstiftung.de/fileadmin/user_upload/PDF/Parkinson-News_Ausgabe_8_21-06-2023.pdf

Zugriff 30.10.2023

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