Einleitung
Einige Parkinson-Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien mit Wirkungsfluktuationen und damit verbundenen langen off-Phasen, welche sich mit einer oralen oder transdermalen Medikation nur unzureichend kontrollieren lassen, werden zusätzlich mit Apomorphin behan-delt. Apomorphin wird parenteral verabreicht, also unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes, da dieser bei Parkinson-Patienten sehr verzögert arbeitet.
Ist ein operativer Eingriff erforderlich, muss entschieden werden, ob die medikamentöse The-rapie unterbrochen oder fortgeführt werden kann. Bei einer Fortführung der Medikation be-steht möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Interaktionen mit den Narkosemitteln, deren Ausmaß und Auswirkungen für viele Substanzen bisher nicht vollständig geklärt sind. Eine Unterbrechung kann eine Verschlechterung der Parkinson-Symptome zur Folge haben, wel-che ihrerseits den postoperativen Heilungsverlauf erschweren kann.
Die folgenden Empfehlungen zur perioperativen Vorgehensweise unter einer Therapie mit Apomorphin dienen als Orientierungshilfe für eine individuelle Handhabung, wenn ein elektiver Eingriff unter einer bestehenden Therapie erfolgen soll. Dabei wird auf die vorhandene Litera-tur zur dieser Fragestellung zurückgegriffen.
Erfolgt eine perioperative Unterbrechung der oralen medikamentösen Therapie wird für alle Substanzen eine sofortige Wiederaufnahme bei vorhandenem Schluckvermö-gen postoperativ empfohlen.
Allgemeine Empfehlung und Risikoeinschätzung
Die perioperative medikamentöse Therapie mit oralen Parkinson-Medikamenten sollte nach einer individuellen Einschätzung des Risikoprofils des Patienten und unter Berücksichtigung der Empfehlungen zu den einzelnen Substanzen in den Hinweisen zur Anästhesie bei M. Par-kinson (siehe dort) erfolgen.
Art des Eingriffs
Idealerweise kann Apomorphin Narkose-begleitend (intraoperativ) verabreicht werden, da es über eine dünne Nadel subkutan (unter die Haut) verabreicht wird. Aufgrund seiner geringen Bioverfügbarkeit bei oraler Einnahme (als Tablette geschluckt), eignet es sich nur für eine diese Art der Verabreichung (parenteral) [1]. Es kann entweder als subkutane Bolusinjektion über einen Pen-Injektor oder als Dauerinfusion über ein Pumpensystem verabreicht werden [2].
Durch die Vielfalt der möglichen operativen Eingriffe und die unterschiedlichen Faktoren, die das Anwenden von Apomorphin über einen Pen oder eine Pumpe beeinflussen, ist jedoch eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. So ist die Lokalisation der Operation eine Einflussgröße. Handelt es sich um eine Katarakt-Operation (grauer Star), kann die Apomorphin-Therapie wie bisher unverändert weitergeführt werden. Liegt die Operation dagegen im Infusionsgebiet der Nadel (Pumpensystem), muss diese entweder versetzt werden oder es erfolgt intraoperativ ersatzweise eine subkutane Injektionsbehandlung mit Apomorphin über den Pen. In diesem Fall sollte der Pen alternativ am Oberschenkel (Außenseite), Rückenflanke oder Oberarm zum Einsatz kommen (siehe Abbildung 1).
Besonderheiten von Apomorphin
Die Wirkung von Apomorphin auf die Beweglichkeit ähnelt sehr der von L-DOPA, im Unter-schied dazu ist sie jedoch unabhängig von der Magenfunktion, sie tritt sie wesentlich schneller ein (nach ca. 2 – 16 Minuten), hält jedoch nur 45 bis 60 Minuten an [4]. Die Halbwertszeit von Apomorphin beträgt 45 Minuten, und das Minimum, die empfohlene kürzeste Zeit zwischen den Injektionen beträgt 60 Minuten. Wird während der Operation auf die orale Parkinson-Medikation verzichtet, kann die nötige Apomorphindosis wie folgte berechnet werden: die Levodopa-Äquivalenzdosis soll durch 240 geteilt werden, um die mg-Dosierung von Apomor-phin/h zu erhalten [5]. Idealerweise wird dafür ein Neurologe hinzugezogen, da die nötige Apomorphin-Dosis hohe interindividuelle Unterschiede aufweist. Meist wird man mit 20 – 40 mg/Tag ausreichend hoch dosieren, maximal 10 mg pro Bolus [5]. Eine Maximaldosis voll 100 mg pro Tag sollte nicht überschritten werden [6].
Apomorphin über Pen:
Bolus Dosis von 1 – 10 mg Apomorphin, Auswahl vor Injektion nach Größe, Gewicht und do-paminerger Vorstimulation, Beispiel: intraoperativ regelmäßige subkutane Injektionen von 2 – 4 mg aller 3 Stunden.
Apomorphin über Pumpe:
Besteht bereits eine Apomorphin-Infusionstherapie über ein Pumpensystem, kann diese nach Kontrolle der Nadellage fortgeführt werden, eventuell muss die Flussrate angepasst werden, um die fehlende orale dopaminerge Therapie zu ersetzen. Auch eine Neuanlage einer bisher nicht genutzten Pumpe als vorübergehender Ersatz der oralen Medikation ist möglich. Diese sollte bereits 1 - 2 Tage präoperativ angelegt werden. Die Flussrate richtet sich nach der zu ersetzenden dopaminergen oralen Medikation und liegt zwischen 0,1 – 15,0 mg/Stunde, mögliche Bolusgaben sind von 0,1 – 10,0 mg möglich. Beispiel: Flussrate 1 – 4 mg/h, Bolus 3 mg.
Welche Medikamente dürfen nicht gemeinsam mit Apomorphin verabreicht werden?
Verboten ist die gemeinsame Gabe mit Dopamin-Gegenspielern (Antagonisten), wie z. B. Me-toclopramid (MCP) oder Phenothiazine, z.B. Prochloperazin. Auch die Kombination mit dem Serotonin-Rezeptor-Antagonisten Ondansetron ist kontraindiziert, weil es aufgrund von Wechselwirkungen zu starkem Blutdruckabfall und Bewusstseinsverlust kommen kann [7]. Allerdings verbieten sich diese Medikamente ohnehin bereits aufgrund der Grunderkrankung M. Parkinson.
Gegen periphere dopaminerge Nebenwirkungen oder postoperative Übelkeit bei Gastropare-se kann Domperidon unter EKG-Überwachung (QT-Zeit) zum Einsatz kommen (10 – 20 mg dreimal täglich bzw. prä- und postoperativ).
Zusammenfassung
Der perioperative Einsatz von Apomorphin kann zu einer Verbesserung der Symptomkontrol-le bei Patienten mit Parkinson-Syndromen führen. In einigen Zentren wird diese Therapie be-reits genutzt und wurde in den dortigen präoperativen Leitlinien eingefügt [8, 9]. Da jedoch nur wenige Daten mit ausreichend hoher Evidenz vorliegen, ist die vorliegende Empfehlung als hinweisgebend einzuordnen, es ist stets eine individuelle Risikoeinschätzung vorzunehmen.
Quelle:
Original: DPV Journal 2021;21,S26-27.
Literatur:1. Aschenberg S, Barbe M. Apomorphin-Pumpen-Therapie. In: Fink, Gereon R. et al.: 2018 SOPs Neurologie, III SOPs bei Langzeittherapien. DOI: 10.1055/b-0038-164108
2. Hilker R, Sixel-Döring F. Erfahrungen zum perioperativen Einsatz von Apomorphin bei Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom. Akt Neurol 2011; 38, S1: S43–S45. DOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0030-1265969
3. Anleitung zur Apomorphin-Pumpentherapie. Momentum, Leben braucht Bewegung. Stand Mai 2018.
4. Deleu D, Hanssens Y, Northway MG. Subcutaneous apomorphine. An evidence-based review of its use in Parkinsonʼs disease. Drugs Aging 2004; 21: 687–709.
5. Reichmann H. Peri Perioperatives Management von Parkinson-Patienten. Fortschr Neu-rol Psychiatr 2016; 84: S14–S17. DOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-102454
6. Fachinformation Dacepton, Lichter MT, Juli 2016
7. Zimmermann L. Ondansetron: Kontraindikationen und Wechselwirkungen bei gleich-zeitiger Anwendung mit Apomorphin. BfArM 30.10.2015. Risikobewertungsverfahren. Bescheid im nationalen Stufenplanverfahren. https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/m-r/ondansetron.html
8. Schlesinger I, Erikh I, Zaaroor M. Dopamine agonist withdrawal syndrome: the apo-morphine solution. Arch Neurol. 2010;67(9):1155–6. https://doi.org/10.1001/archneurol.2010.220.