Von: Thomas Müller Veröffentlicht: 28.11.2024, 04:00 Uhr
Quelle: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Bluttest-erkennt-Parkinson-schon-zehn-Jahre-vor-der-Diagnose-453722.html Zugriff 29.11.2024, nachbearbeitet von Dr. med. Ilona Csoti
Zusammenfassung
Frage:
Lässt sich Morbus Parkinson über einen Bluttest bereits im Prodromalstadium nachweisen?
Antwort:
Mit einem Seed Amplification Assay (SAA) ist dies offenbar ein bis zehn Jahre vor der klinischen Diagnose möglich. Darauf deuten retrospektiv analysierte Blutproben von später an Parkinson erkrankten Teilnehmenden der Tübinger TREND-Studie.
Bedeutung:
Der Test könnte sich eignen, um Personen im Prodrom zu identifizieren, die von krankheitsmodifizierenden Arzneien profitieren.
Einschränkung:
Der SAA muss erst noch in größeren Studien validiert werden.
Ein Bluttest kann krankhaft zusammengeballtes Eiweiß (Name: Alpha-Synuclein) bei einigen Menschen schon zehn Jahre vor Beginn der motorischen Parkinson-Symptome nachweisen. Mit einem solchen Test lassen sich möglicherweise Stadien erfassen, in denen noch keine motorischen Krankheitssymptome auftreten und somit formal die Diagnose nach den aktuellen Diagnosekriterien noch nicht gestellt werden kann. Kommen in den nächsten Jahren Medikamente auf den Markt, mit denen man bereits vor Ausbruch der Krankheit Betroffene schützen könnte, wäre ein solcher Test sehr hilfreich.
Kiel: Wie für die meisten neurodegenerativen Erkrankungen gilt auch für Morbus Parkinson: Machen sich die charakteristischen Symptome erst einmal bemerkbar, ist ein großer Teil des Schadens schon irreversibel angerichtet. Nötig wären folglich Therapien, die bereits im Prodromalstadium (Stadium vor ersten motorischen Krankheitssymptomen) ansetzen. Dazu müsste es nicht nur krankheitsmodifizierende Therapien geben – diese könnten immerhin in den nächsten Jahren kommen – es ist auch eine valide Frühdiagnostik nötig. Der Nachweis von Alpha-Synuclein-Aggregaten etabliert sich hier zunehmend als Standardverfahren.
Gute Resultate liefern bereits Analysen von Haut und Gehirnwasser, für das Screening von Risikogruppen wäre jedoch ein Bluttest nötig. Einen solchen haben Forschende um Dr. Annika Kluge aus dem Team von Professorin Daniela Berg vom Uniklinikum Kiel entwickelt und damit retrospektiv Proben von Parkinsonkranken analysiert (Mov Disord 2024; online 23. April ).
Menschen, die später an Parkinson erkrankten, hatten schon bis zu zehn Jahre vor der Diagnose auffällige Alpha-Synuclein-Werte im Blut. Der Test könnte sich daher eignen, ein Parkinsonvorstadium zu einem Zeitpunkt aufzuspüren, an dem sich die Erkrankung noch verhindern oder zumindest deutlich verzögern lässt.
Alpha-Synuclein-Aggregate aus neuronalen extrazellulären Vesikeln
Die untersuchten Blutproben stammten aus der Studie TREND (Tübinger evaluation of Risk factors for Early detection of NeuroDegeneration), an der seit 2009 rund 1.200 Personen teilnehmen.
Alle waren bei der Aufnahme in die Studie zwischen 50 und 80 Jahre alt und hatten noch keine bekannte neurodegenerative Erkrankung. Sie spenden alle zwei Jahre etwas Blut für Biomarkeranalysen und unterziehen sich regelmäßig Untersuchungen auf motorische und nichtmotorische Parkinsonsymptome.
Im Laufe von 13 Jahren erkrankten 20 der Teilnehmenden an Parkinson, für 12 lagen genug Blutproben zur Analyse vor. Zusätzlich prüfte das Team um Berg Blutproben eine Kölner Kohorte von 20 Personen mit im Schlaflabor bestätigter REM-Schlafverhaltensstörung (RBD). Solche Menschen erkranken in der Regel innerhalb weniger Jahre an Parkinson oder Lewy-Körperchen-Demenz.
Die Hälfte schon fünf Jahre vor der Diagnose auffällig
Die neun Männer und drei Frauen mit Parkinson aus der TREND-Kohorte waren zu Beginn im Schnitt 68 Jahre alt, die 18 Männer und zwei Frauen mit RBD 66 Jahre, die RBD bestand im Mittel seit sieben Jahren. Als Kontrollgruppe wählten die Forschenden 13 Personen aus der TREND-Kohorte, für die nach den bisherigen Untersuchungen ein sehr geringes Parkinsonrisiko besteht.
Die SAA-Analyse ergab bei sämtlichen Kontrollpersonen einen negativen Befund, zudem waren alle Parkinsonkranken spätestens mit ihrer klinischen Diagnose Alphasynuclein-positiv. Vom den 20 RBD-Patienten zeigten 6 ein positives Testergebnis.
Einer der Parkinsonkranken war bereits bei der ersten Messung zehn Jahre vor Ausbruch der Erkrankung im SAA positiv, einer erst im Jahr vor der Diagnose. Die Hälfte zeigte bereits fünf Jahre vor der Diagnose auffällige Werte im SAA.
Die Neurologinnen und Neurologen untersuchten die angereicherten neuronalen Vesikel im Blut zudem per Immunoblot. Damit spürten sie ebenfalls veränderte Alphasynuclein-Aggregate aus Blutproben ein bis zehn Jahre vor der Diagnose auf, allerdings auch bei einer gesunden Kontrollperson.
Zugriff 29.11.2024, nachbearbeitet von Dr. med. Ilona Csoti